Bad Neuenahr – einst eine Perle der Region

Anfang Januar des Jahres 2021 war es. Da meldete das Nachrichtenmagazin „Focus Gesundheit“: Bad Neuenahr ist top. Das Städtchen in der Eifel (Rheinland-Pfalz) zähle zu den besten Kurorten Deutschlands. Die Auszeichnung erfolgte das dritte Jahr in Folge. Focus schrieb: „Das staatlich anerkannte Heilbad Bad Neuenahr überzeugt mit durchgängig besten Bewertungen in den geprüften Bereichen medizinisches Angebot, kurorttypisches Angebot und Infrastruktur“. Die Verbindung von medizinischer und therapeutischer Kompetenz mit einer landschaftlich reizvollen Lage und einem besonderen Kultur-, Freizeit- und Serviceangebot des Ortes waren Grundlage der Bewertung.

Sechs Monate später war alles Makulatur, der Bilderbuch-Kurort versank im Schlamm. Eine unvorstellbare Flutwelle war am 14. und 15. Juli 2021 durch das Ahrtal gerast und hatte unglaubliche Verwüstungen angerichtet. Danach war nichts mehr wie es einmal war. Und es wird Jahre für einen Neuanfang brauchen.

Das berühmte Heilbad – eingebettet in bewaldete Hügel und sonnenbeschienene Weinberge im Tal der Ahr, keine 30 Autominuten von Bonn – lebte einst ganz vom Charme seines Kurviertels, dem wunderschönen Badehaus, der Spielbank, den herrlichen Parkanlagen wie dem Kurpark mit seinem grandiosen alten Baumbestand und der sich mitten durch den Ort schlängelnden Ahr. Bad Neuenahr beeindruckte mit seinen weißen Patrizier-Häusern, bekannt wurde es jedoch durch seine Quellen – allen voran der weltberühmten Apollinaris Quelle.

 

Natürlich, warm und wohltuend präsentierte sich die staatlich anerkannte Heilquelle noch im Mai vergangenen Jahres. Aus einer Tiefe von 95 Metern und 34 Grad warm sprudelte das Heilwasser mit Hilfe natürlicher Kohlensäure in einer bis zu 10 m hohen Fontäne an die Oberfläche. Seit über 160 Jahren sah sich Bad Neuenahr mit diesem Natur-Geschenk ganz der Gesundheit verpflichtet. 15 Kliniken und Reha-Einrichtungen, über 100 Fachärzte, 50 Therapie-Praxen sowie die Wohlfühlwelt Ahr-Thermen bildeten die zentralen Säulen der Gesundheits- und Wellness-Stadt.

Gegenwärtig ist das meiste unbrauchbar. Die Thermen sind geschlossen. Allein für die Wiederherstellung rechnet man mit Kosten in Höhe von 65 Millionen Euro. Die Kurstadt sagt eher hoffnungsvoll, denn überzeugt: „Wir freuen uns, wenn wir gegen Ende 2022 wieder ausreichend Gesundheitsangebote präsentieren können.“

Die Flut riss fast 500 Gebäude mit sich, darunter mindestens 190 Wohnhäuser. 135 Menschen verloren ihr Leben Von den 4.200 Gebäuden entlang der Ahr sind geschätzt mehr als 3.000, also mehr als 70 Prozent aller Gebäude, beschädigt worden. Das Unwetter hinterließ die bislang größten Zerstörungen durch eine Naturkatastrophe in Deutschland.

Entlang der Ahr – so bilanzierte die Landesregierung – leben rund 56.000 Menschen. Dabei gehen die Behörden von 42.000 Betroffenen aus. Mindestens 17.000 von ihnen haben Hab und Gut verloren oder stehen vor erheblichen Schäden.

So melden zahlreiche Kliniken noch immer: „Wir können bis auf Weiteres keine Patienten/innen aufnehmen.“ Auch viele Hotels (z.B. Steigenberger, Dorint, Seta u.a.) sind bis auf weiteres geschlossen, einige Häuser und Kliniken zwar wieder in bescheidenem Betrieb – aber viele Pensionen und Gasthäuser noch nicht wieder funktionsfähig. Und das zieht sich durch das ganze Tal. Das Dorint-Hotel z.B. meldet „Voraussichtliche Wiedereröffnung am 30.06.2023.“ Auch die Jugendherberge in Bad Neuenahr-Ahrweiler (mit 184 Betten) wurde bei der Flut zerstört. Eine Kernsanierung war notwendig. Nun ist die Einrichtung wieder geöffnet. Der entstandene Schaden bezifferte sich auf 3,2 Millionen Euro.

Schwer gelitten haben der Kurpark, in dem eigentlich längst die Landesgartenschau stattfinden sollte und die Spielbank. Sie wird dort voraussichtlich nie mehr neu eröffnet. Eine Landesgartenschau soll es in neun (!) Jahren im ganzen Ahrtal geben. Die Politik ist sich uneins.

Doch die Kurstadt „bekrabbelt“ sich wieder. Was auffällt und zuversichtlich stimmt: Trotz, Ehrgeiz und Mut scheinen in der Bevölkerung ungebrochen. Es herrscht ein unbändiger Wiederaufbau-Wille. Wenn positive Rahmenbedingungen zu Hilfe kommen. Wenn vor allem

endlich überall die Gelder auch ankommen, die vor Monaten versprochen worden sind. Der Wiederaufbau der kommunalen Infrastruktur in den Flutgebieten kostet nach Angaben des Innenministeriums rund vier Milliarden Euro – alleine 3,8 Milliarden Euro im Landkreis Ahrweiler.

Inzwischen helfen sich die „Ahrtaler“ unvermindert und mit gewaltigem Einsatz gegenseitig. Wer noch in diesen Tagen die Ahr besucht, sieht zwar die gewaltigen Sach- und Natur-schäden, doch auch das leidenschaftliche Bemühen der Bewohner nach Normalität. Manches Weingut hat wieder geöffnet, manch Restaurant Gartenstühle an den Straßenrand gestellt, um darauf zurückkehrende Wanderer zu bewirten. Und Behörden, Hilfsorganisa-tionen und freiwillige Helfer tun alles, um das traurige Umfeld freundlicher gestalten zu lassen. „Bloß nicht aufgeben“ heißt es in den zerstörten Ahrtal-Dörfern um Mayschoß, Rech, Dernau oder in Bad Neuenahr.

In Dernau hat sich ein Förderverein gegründet, der das „WeinKulturDorf Dernau“ wieder auf Trapp bringen will (www.zukunft-dernau.de). Die Mitglieder werben mit der Aussage: „Wir möchten wieder Ihre Gastgeber sein. Wir sind bereit, das Ahrtal wieder zu einem Paradies mit Wein und Genuss zu machen.“ Und sie bitten: „Unterstützen Sie unseren Wiederaufbau mit ihrem Besuch und Genuss“.

Dazu gibt es Wanderangebote auf dem Rotweinwanderweg. Im April kamen jüngst die Deutsche Weinkönigin und ihre Prinzessinnen dazu. Die Teilnehmer waren begeistert. So eine Wein-Wanderroute (etwa 3,5 Stunden) führt durch die Einzellagen Burggarten, Hardtberg, Pfarrwingert, Schieferlay in Dernau und Klostergarten in Marienthal. Man kann natürlich auch in Teilstücken wandern. Von 10 Uhr bis zum Sonnenuntergang finden sich an vielen Stationen der einheimischen Winzer und Gastronomen eine Vielzahl köstlicher Weine, Snacks und mehr. Alle Wege sind leicht begehbar und auch für Kinder und Senioren gut geeignet. Diese Wanderungen werden an allen Wochenenden im Mai fortgesetzt. Informationen: verkehrsverein@dernau.de, www.dernau.de

Der Rotweinwanderweg ist ein Quotenbringer an der Ahr, nahezu das Kernstück des Tourismus, von dem die Bewohner einst ihren Lebensunterhalt maßgeblich decken konnten. Er schlängelt sich auf 35 Kilometern durch die Weinbergslagen des Ahrtals, bietet atemberaubende Blicke und Aussichten, ist zum Wahrzeichen der Region geworden und wird in diesem Jahr 50 Jahre alt. Aufgrund seiner Höhenlage blieb der beliebte Traditionsweg zwischen Altenahr und Bad Bodendorf unberührt von der Flut des vergangenen Julis und strahlt nach wie vor mit all seinen wunderschönen Facetten.

Tiefer im Tal aber sind 90 Prozent der gastronomischen Betriebe von der Katastrophe betroffen. „Neu- und Wiederaufbau werden zu einer Mammutaufgabe“, sagte dazu jüngst Christian Lindner, Vorsitzender des Ahrtal-Tourismus-Bad Neuenahr-Ahrweiler e.V , und stellte ein „Tourismuskonzept 2025“ vor. Unter dem Motto „Dein Besuch im Ahrtal ist gelebte SolidAHRität“ will man aber natürlich schon jetzt Gäste ins Ahrtal locken. Und das Land will

den brach liegenden Tourismus mit einer Million Euro im Ahrtal fördern. Das ließ die Wirtschaftsministerin wissen. Das Ahrtal soll wieder ein touristischer Hotspot werden. Bis Ende 2022 sollen 50 Prozent der Betriebe wieder geöffnet sein

Die ebenfalls schwer flutgeschädigte Ahrtalbahn soll allerdings erst gegen Ende 2025 wieder  komplett aufgebaut sein. Brücken und Übergänge waren zerstört, Gleise weggespült worden. Für den Abschnitt zwischen Walporzheim und Ahrbrück sollen im ersten Quartal 2023 die Bauarbeiten beginnen, teilte die Bahn weiter mit. Insgesamt müssten für den Wiederaufbau acht Brücken und fast alle Stützbauwerke ersetzt werden. Hinzu kommen rund 14 Kilometer neue Schienen und Schwellen plus die Instandsetzung von sieben Bahnübergängen und der zerstörten Stellwerke in Dernau und Kreuzberg.

Über allem aber schwebt jetzt hoffnungsvoll die Kampagne der Kurstadt Bad Neuenahr: „Unsere Stadt wird #wiederbunt“. Es wird Zeit, wieder Farbe in die Stadt zu bringen“, sagt Bürgermeister Guido Orthen. „Auch, wenn es noch etwas dauern wird. Aber Einwohner sowie Gewerbetreibende brauchen sichtbare Zeichen, Zeichen, wo es weitergeht und dass wir zusammenhalten“. www.bad-neuenahr-ahrweiler.de.

Weitere Informationen gibt es unter www.ahrtal.de/fuer-sie-da/uebernachten. Da heißt das Motto: Ahrtal nach der Flut! Hier können Sie wieder übernachten.

Bildrechte:
Eberhard Gravenstein, Tourismusverband Rheinland-Pfalz

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