In manchen Gegenden nennt man sie auch Rau- oder Rauchnächte. Sie sind im europäischen Brauchtum der Zeitraum zwischen dem Thomastag, dem 21. Dezember und Neujahr, oder Weihnachten bis zu Hl. Dreikönige, dem 6. Januar.
Nach altem Glauben herrschten stürmische Mächte in dieser Mittwinterzeit, die auch als Glöckelnächte, Innernächte oder Unternächte bezeichnet wurden und zogen sich – auch als, Odins „Wilde Jagd“ bezeichnet – erst in der Nacht auf den 6. Januar wieder zurück.
Die vier wichtigsten Rauhnächte sind der 21. Dezember, die Nacht auf den Thomastag, den kürzesten Tag des Jahres, die Nacht vom 24. auf den 25. Dezember, die Christnacht, der 31. Dezember auf den 1. Januar, Silvester, und der 5. auf den 6. Januar, Hl. Dreikönige.
Woher das Wort Rauhnacht kommt, ist umstritten. Einige Sprachforscher führen es auf das mittelhochdeutsche Wort rûch, „haarig“ zurück, von dem sich noch heute in der Kürschnerei der Begriff Rauh- oder Rauchware für Pelzwaren erhalten hat. Es würde dann in Zusammenhang mit den in Fell gekleideten Dämonen stehen, die in diesen Nächten ihr Unwesen treiben oder sich vielleicht auf Rituale rund um das Nutzvieh beziehen.
Andere Wissenschaftler sehen das Wort Rauhnacht im Zusammenhang mit dem traditionellen Beräuchern der Ställe mit Weihrauch durch den Priester oder den Hofbauern. Eine Tradition über die bereits Johannes Boemus (1520) und Sebastian Franck (1534) berichtet haben: „Die zwolff naecht zwischen Weihenacht und Heyligen drey Künig tag ist kein hauß das nit all tag weiroch rauch in yr herberg mache/ für alle teüfel gespenst vnd zauberey.“ (Sebastian Franck, Weltbuech: Spiegel vnd bildtniß des gantzen erdbodens … Tübingen 1534, zit. nach Hans Dünninger, Horst Schopf: Bräuche und Feste im fränkischen Jahreslauf. Kulmbach 1971, S. 24). Je nachdem, ob man die erste oder die zweite Deutung bevorzugt, wird die jeweilige andere als sekundäre Umdeutung interpretiert. Die Bezeichnung Glöckelnächte bezieht sich auf das „Glöckeln“, von Tür zu Tür gehen und anläuten.
Ihren Ursprung haben die Rauhnächte wohl in der Zeitrechnung nach einem Mondjahr, das mit zwölf Monaten nur 354 Tage dauert. Will man es mit dem Sonnenjahr, das 365 Tage hat, in Übereinstimmung bringen, muss man die fehlenden 11 Tage, bzw. 12 Nächte dazugeben. Von solchen Tagen wird in Mythologien oft verbreitet angenommen, dass die Gesetze der Natur außer Kraft gesetzt seien und daher die Grenzen zu anderen Welten fielen. In vielen Kulturen, die so ein Kalendersystem verwenden, verbindet sich diese Zeitspanne oftmals mit Ritualen und Volksbrauchtum. So gibt es in Südosteuropa die Sage, das von der Wintersonnenwende an die folgenden zwölf Nächte von den „Kalikanari“, also von bösen Kobolden bevölkert sind. Diese sägen in der Unterwelt am Weltenbaum. Nach den Rauhnächten aber müssen die Kobolde wieder zurück in die Unterwelt, und durch ihre Abwesenheit heilt der Weltenbaum.
Die Wilde Jagd und andere Geister
Zur Mitte der zwölf Nächte, nämlich zu Silvester, soll die „Wilde Jagd“ aufbrechen. In dieser Zeit – so heißt es – steht das Geisterreich offen und die Seelen der Verstorbenen sowie die Geister haben Ausgang. Dämonen können Umzüge veranstalten oder mit der „Wilden Jagd“ durch die Lande ziehen.
Bis in die jüngere Zeit war in weiten Teilen Europas der Glaube verbreitet, dass sich zauberkundige Menschen, die einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatten, zu dieser Zeit in Werwölfe verwandelten und in dieser Gestalt Mensch und Vieh bedrohten, etwa im Baltikum, in Westdeutschland, speziell in der Eifel und den benachbarten, Ardennen, oder in Bulgarien.
Diese Vorstellung spiegelt sich in den Perchtenläufen des Alpenraums wider. Eine andere Form der Perchten, aber regional davon getrennt und eigenständig sind die Glöckler. (Glöckler stellen Figuren aus den Rauhnachtssbräuchen im Salzkammergut und angrenzenden Regionen dar. Dabei handelt es sich um Schönpeerchten, gute Lichtgeister, welche die bösen Rauhnachtsgeister, die „Wilde Jagd“, endgültig vertreiben sollen – der Glöcklerlauf findet daher in der letzten Rauhnacht, am 5. Januar, der Nacht vor Dreikönig, statt. Auch der Brauch, zu Silvester Lärm zu erzeugen (Silvesterfeuerwerk), sollte die Unholde fernhalten, im Alpenraum wird in allen Rauhnächten auch geböllert.
In Norddeutschland ist bis heute das Rummelpottlaufen verbreitet.
Die zwölf Nächte haben eine wichtige Bedeutung für das bevorstehende neue Jahr, sie gelten als zukunftsweisend. Jede Rauhnacht steht für einen Monat des kommenden Jahres, daher lässt sich mit ausgesuchten und überlieferten Orakeln in die Zukunft blicken. Es ist auch eine Zeit der Rückbesinnung, eine Zeit der Ruhe und des Nachdenkens und Verinnerlichens. Die Menschen waren der Auffassung, dass sie in dieser seltsamen, unheimlichen und gefährlichen Zeit nichts gestalten oder bewirken konnten. Alle häuslichen und landwirtschaftlichen Arbeiten, die nicht unbedingt notwendig waren, ruhten.
In den Rauhnächten achtete man besonders auf die Träume, Symbole und Personen, die man erlebt oder denen man begegnet war. Das Hauptaugenmerk richtete sich dabei auf die Erforschung des zukünftigen Ehegatten und Geliebten, aber auch auf den Beruf, auf das Leben und Sterben, das Bleiben oder Weiterziehen.
So ist diese Zeit angeblich auch für das Befragen von Orakeln geeignet. Im Silvesterbrauchtum wird dieser Glaube – wenngleich in erster Linie aus Geselligkeit – in Form des Bleigießens bis heute weiter gepflegt. Der Zwiebelkalender dient der Wetterprognose. (Es ist ein altes Orakel, das zu Silvester vor allem in Schwaben, im Erz- und Isergebirge, in Schlesien und in Siebenbürgen ausgeübt wurde. (In den zwölf Nächten oder zu Neujahr schnitt man eine Zwiebel in 12 Schalen, von denen jede mit einem Monatsnamen bezeichnet und mit Salz bestreut wurden. Am nächsten Morgen sollte sich dann je nach Ausmaß der angezogenen Feuchtigkeit in der schälchenförmigen Zwiebelschale die Regenmenge oder Trockenheit des betreffenden Monats erkennen lassen.)
Ordnung muss sein
Im Haus durfte keine Unordnung herrschen, keine weiße Wäsche auf der Leine hängen. Es durften keine Wäscheleinen gespannt werden, da sich in diesen die „Wilde Jagd“ verfangen könnte. In einer anderen Version war dies besonders für jüngere Frauen wichtig. Durch das Aufhängen von weißer (Unter-)Wäsche konnte die „Wilde Jagd“ angelockt werden und dann war ein Überfall auf diese Frauen möglich. Frauen und Kinder durften nach Einbruch der Dunkelheit auch nicht mehr alleine auf der Straße sein. Darüber hinaus war das Kartenspiel verboten. In manchen Gegenden des Ostalpenraums wurden diese Vorschriften von Perchten überwacht. Die sogenannte Roggenmuhme, auch „Rockenmör“, strafte die faulen Mägde, die in den Zwölf Nächten ihre Spinnrocken nicht abgesponnen hatten. Und wer in den zwölf Rauhnächten träumt, kann viel über die Zukunft des kommenden Jahres erfahren. Iris Schatz
Zu diesem Thema ist im Mankau Verlag ein kompakt Ratgeber erschienen.
„Die Rauhnächte waren für unsere Ahnen eine Zeit außerhalb der Zeit, mit langen, kalten Nächten, in denen die Tore zur Ahnen- und Anderswelt weit offen standen“, schreibt der Münchener Mythenforscher und Sachbuchautor Gerhard Merz in seinem neuen Buch „Rauhnächte“, „aber sie bieten auch modernen Menschen die Gelegenheit, einmal den Alltag loszulassen, in die Stille zu gehen, nachzudenken, Rückbesinnung zu üben, um sich selbst näherzukommen. Das hilft, neue Kräfte und Energien zu sammeln.“
Gerhard Merz:
Rauhnächte. Kompakt-Ratgeber. Das Mysterium der zwölf Schicksalstage.
Mankau Verlag, 1. Aufl. Oktober 2017.
Klappenbroschur, durchgehend farbig, 11,5 x 16,5 cm, 127 S. 8,99 € (D) / 9,20 € (A),
ISBN 978-3-86374-416-8.
Gerhard Merz (geb. 1945) lebt als Autor und Journalist in München. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher über traditionelles Brauchtum, Orakel und Traumdeutung, z. B. „100-jähriger Kalender“, „Das große Hausbuch für die ganze Familie“ und „Das geheime Wissen einer modernen Hexe“. Für Zeitschriften und Zeitungen schrieb er Artikel und Serien unterschiedlichster Genres sowie Krimis und Kurzgeschichten. Sein besonders Interesse gilt dem Kalenderwesen, der Naturheilkunde und den überlieferten Traditionen.
Fotos:
Abb. 01: Peter Nicolai Arbo (1831–1892) Odins Wilde Jagd – Norsk bokmål: Åsgårdsreien, 1872, Nationalgalerie Oslo, Gemeinfrei
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7a/Aasgaardreien_peter_nicolai_arbo_mindre.jpg
Abb. 02: Fällen des Weltenbaums, Gmeinfrei
https://de.wikipedia.org/wiki/Rauhnacht#/media/File:Kallikatzaroi.jpg
Abb. 03: Perchtenmasken vor 1914 – nach Originalen im Salzburger Städtischen Museum
Von Anonym – Geschichte des Grotesk-Komischen, Ausgabe 1914, 2. Band, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=31696863
Abb. 04: Glöckler in Bad Ischl
CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1076134
Abb. 05: Der beim Rummelpottlaufen verwendete Topf zum „Rummeln“
Rummelpott aus Hamburg-Blankenese
Von Joachim G – Eigenes Werk (Eigenes Foto), CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8881290
Abb. 06: Wahrsagen in den Rauhnächten, russische Illustration, 1885
Von Unbekannt – http://zidanio.livejournal.com/16525.html, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=30569701
Abb. 07: Gerhard Merz, Mankau Verlag
Abb. 08: Buchtitel, Mankau Verlag
Textquelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rauhnacht