Kennen Sie Neuwied? Leicht zu erreichen über die A3 und die B 256, wenn Sie von Frankfurt oder Köln kommen, aber auch die A 61, A 48 oder die B 9 und die B 42 bringen Sie in die Stadt, die ein ganz besonderes Museum hat: Es ist im Schloss Monrepos und liegt auf einer Anhöhe im Westerwald. Von hieraus haben Sie einen großartigen Ausblick weit über das Neuwieder Becken bis in die Vulkaneifel, auf ein Gebiet in dem die Menschheit schon seit Urzeiten ein Zuhause gefunden hat. Ein wahres Paradies für Archäologen, die sich mit der frühen Menschheitsgeschichte in der Alt- und Mittelsteinzeit beschäftigen.
Der Ort der Geschichte
Erbaut wurde das weiße Barockschloss 1757 bis 1762. In der Mitte des 18. Jahrhunderts haben es die Fürsten zu Wied als Sommersitz erkoren. 1909 wurde für die Fürstin Marie zu Wied und ihre Töchter Luise und Elisabeth in Sichtweite des Schosses ihr Witwensitz erbaut. Zu einem Ort der Kunst des kulturellen Austauschs und der gesellschaftspolitischen Diskussion wurde Monrepos unter Prinzessin Luise, die zudem noch eine hochbegabte Pianistin und Komponistin war. Nach dem Tod von Luise erfuhr das Waldheim eine wechselvolle Nutzung.
1968 wurde in Neuwied von Archäologen der Fundplatz „Gönnersdorf“ entdeckt und sorgte für viel wissenschaftliche Aufregung. Das Jagdhaus wurde von den Forschern als Basislager okkupiert. Am 5. Juli 1984 wurde der „Förderkreis der Forschungsstelle Altsteinzeit e.V.“ gegründet, und am 20. Juni 1986 die Prinz Maximilian zu Wied-Stiftung. Das Römisch-Germanische Zentralmuseum Mainz verlieh von Anfang an Struktur und gewährleistete den Ausbau zu einem international bedeutenden Forschungsstandort. Friedrich Wilhelm Fürst zu Wied, einer der zugkräftigsten Unterstützer von Monrepos, bescherte der Stiftung ihren Traumort für die Unterbringung des Forschungsmuseums: Schloss Monrepos. In den späten 80er Jahren wurde es umfassend renoviert.
Seit 1988 arbeitet dort das Archäologische Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution. Am 29. April 1988 zogen der neu gegründete Forschungsbereich Altsteinzeit des Römisch-Germanischen Zentralmuseums und das Museum für die Archäologie des Eiszeitalters in Schloss Monrepos ein. 2011 wurde das saniert und ausgebaut. Nach Angaben der Museumsleitung hat der Umbau 760 000 Euro gekostet, zu einem großen Teil finanziert durch eingeworbene Mittel bei der Leibniz-Gemeinschaft. 3,9Millionen Euro sind aus dem Konjunkturpaket II in die Sanierung des barocken Schlosses geflossen.
Und seit 2012 hat das Schloss einen neuen Namen: „MONREPOS Archäologisches Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution“.
Hier arbeiten nun rund 30 Wissenschaftler im Neuwieder „Schloss der Forscher”, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, aus den Funden menschlicher Überreste, Knochen, Werkzeuge oder Kunstgegenständen die Verhaltensentwicklung des Menschen – die vor mehr als 2 Millionen begann – zu erforschen.
Besuch in die Vergangenheit
Seit 2014 wird in Monrepos die Dauerausstellung „Menschliches Verstehen“ gezeigt, in der die wichtigsten Stationen menschlicher Verhaltensentwicklung szenisch und „begrifflich“ umgesetzt werden. Man spürt sehr schnell, dass hier Fachleute am Werke waren, die mit Hilfe von Lernpsychologen dieser Präsentation ihr individuelles Gesicht gegeben haben. 2,5 Millionen Jahre Menschheitsgeschichte vom ersten Hominiden bis zu den Jägern und Sammlern vor 8.000 Jahren – ein Zeitraffer, der in acht Räumen die wichtigsten Sternstunden menschlichen Verhaltens aufzeigt:
Im ersten Raum begegnen wir dem Naturwesen Mensch, eingebettet in die Gefahren seiner Umwelt, die von Raubtieren dominiert wird, und dem die zukünftige „Krone der Schöpfung“ so gut wie nichts entgegensetzen kann. Und so ist die Begegnung mit einem Leoparden schon vorprogrammiert: das Tier – hier der ausgeleuchtete Schädel eines Leoparden mit der menschliche Schädelkalotte zwischen den Reißzähnen – hat den ungleichen Kampf gewonnen.
Raum zwei zeigt dagegen schon ein menschliches Aufbegehren. Die erste technische und soziale Revolution beginnt und dauert von 1,6 Millionen Jahre bis 200.000 vor unserer Zeitrechnung.
Eine „Neugierwand” mit vielen bunten Schubladen führt in diese erfindungsreiche Epoche, deren Auswirkungen wir noch heute spüren. Hier kann man neue Überlebensstrategien, Werkzeuge und Jagdwaffeninnovation, die Feuernutzung, sowie die Herausbildung verlässlicher Gemeinschaftsstrukturen und sozialer Verhaltensmechanismen finden. Die vielen Schubladen reizen förmlich sich selbst zu fordern und die Fortschritte der Vergangenheit selbst zu erfahren. Der Bogen der steinzeitlichen Erfindungen ist weit gespannt – er reicht beispielsweise vom Wurfsperr (in moderner Weiterentwicklung bis zur furchterregenden Interkontinentalrakete mit atomarem Sprengkopf) bis zum romantischen Lagerfeuer (das wohl am Anfang einer weltumspannenden Verbrennungskultur stand und den heutigen katastrophalen Folgen für das Weltklima)…
Jeder dieser acht Räume hat ein vertiefendes Ausstellungsprinzip und das „Wie“ der jeweiligen Darstellung macht den Gang durch die „Zeiträume“ zum beeindruckenden Erlebnis.
Da werden tote Artefakte plötzlich zum Medium: An Hand der Indizien kann der Besucher sich in die Lage versetzen, das schon Homo erectus oder Homo Neandertaler über Eigenschaften verfügen musste, die wir heute mit Empathie, Verantwortung für Schwache oder Teamfähigkeit nennen. Und unsere Eigenarten, wie die Vorliebe für leckeres fettes (fleischliches) Essen, die Lust zum tratschen und klatschen, dem geselligen Beisammensein, dem Tanz und dem Vergnügen, sind beileibe keine Segnungen der Neuzeit.
Da gibt es einen Ausstellungsraum, der diese menschlichen Urbedürfnisse sehr schön ans Tageslicht bringt: eine Abteilung, die einem Partyraum gleicht. Die Wände sind mit Graffitis Tanzender von heute bemalt. Um die „Tanzfläche” in der Mitte sind Vitrinen, die Fundstücken aus der Zeit vor 40000 bis 14000 Jahren enthalten, aufgebaut. Sie tragen nichts dazu bei, um den Kampf ums Überleben zu sichern, sie sind nur zur Steigerung der Lebensfreude und der individuellen Persönlichkeit gedacht: Wir finden hier Muschel-Schmuck und Ketten aus Tierzähnen, Gagat; und in Schieferplatten gravierte Frauenbildnisse – die wissenschaftlich so bedeutenden tanzenden Frauen von Gönnersdorf – übergroße Speerspitzen, die so filigran sind, dass sie sich wohl kaum zur Verteidigung eignen. Vielleicht dienten sie aber damals schon als ein Erkennungszeichen oder als ein Symbol, das für die jeweilige Gruppe von Wichtigkeit war. Ähnlich wie in späteren Zeiten vielleicht die Standarten oder die Fahnen der Heere und Länder. Diese Artefarkte stammen von Fundplätzen in Gönnersdorf und Andernach. Hier kamen in der Magdalenien-Epoche viele Menschgruppen im Umkreis von mehr als hundert Kilometern Entfernung zusammen. Sie haben sich hier getroffen, um zusammen zu jagen, sie haben gefeiert, sich ausgetauscht und ihre Geschlechtspartner gefunden.
In der Zeit von 14.000 bis 8.000 vor unsere Zeitrechnung mussten sich die Jäger- und Sammlergruppen auf neue klimatische Umweltbedingungen einstellen. Ihre Welt wurde wieder wärmer – schmelzender Schnee und Eis formten eine neue Landschaft. Und als die Gletscher sich zurückgezogen hatten und die Kälte vorbei war, ergrünte die Umwelt.
Der achte Ausstellungsraum zeigt die damit verbundenen Folgen: Es gab nun neue Urwälder, Sümpfe und wasserreiche Flüsse. Das hatte zur Folge, dass die Lebensräume kleiner wurden. Das war wohl der Grund dafür, dass die Menschen nun über die Optimierung ihrer Möglichkeiten – was die Bewältigung neuer Umweltprobleme betraf – intensiv nachdenken mussten. Erfindungsreichtum war gefragt, und da hatten die Jägergruppen in der Zeit von 14.000 bis 8.000 schon einiges zu bieten. So konstruierten sie in diesem Zeitraum die bis heute gültige Urform von Paddel oder Ski. Sie verbesserten ihre Steinwerkzeuge und Jagdwaffen. Sie begannen ihr ruheloses Umherziehen aufzugeben und wurden revierbeständig. Und damit veränderten sie grundlegen ihr Verhalten: Sie entwickelten ein modernes Bewusstsein von Besitz, Eigentum und einem eigenen Revier, das von nun an gegen Fremde verteidigt oder erweitert wurde. Damit wurde die erste Form der kriegerischen Gewalt gegen andere Artgenossen, die nicht zum eigenen Stamm gehörten, etabliert. Die ersten Feindbilder in der menschlichen Gesichte entstanden. Beweise hierfür führen die Forscher eindringlich ins Bild: Das erste archäologisch dokumentierte Massaker fand vor 8400 Jahren in Süddeutschland statt. Die Monrepos-Ausstellung schlägt den Bogen von dort zur TV-Kriegsberichterstattung unserer Tage – und endet mit einem Appell, der uns heute sehr bekannt vorkommt: Es geht auch in friedlichem Miteinander.
Info:
Die Monrepos-Ausstellung „Menschliches Verstehen“ in Neuwied ist
dienstags bis sonntags und an Feiertagen von 10 bis 17 Uhr zu sehen.
Der Eintritt kostet für Erwachsene sechs Euro,
für Kinder ab sechs Jahren vier Euro.
Gruppen können Workshops besuchen,
Anmeldung: 0 26 31/9 77 20.
Speisen wie in der Steinzeit
Nach einem solch prägenden Rundgang, der ungefähr 90 Minuten dauert, kann es schon sein, das nach diesem geistigen Nahrungsangebot auch der „kleine“ oder „große“ Hunger den einen oder anderen Besucher überfällt. Und da bietet dann das Museums-Bistro „Heimathirsch“ die wahre zum Thema passende Altsteinzeit-Küche an. Hier werden „aromatisch-appetitliche Forschungsergebnisse“ serviert, die auch schon unter dem Begriff „Paläo-Ernährung“ Einzug in die Kochbuchregale gefunden hat. Und den Zweiflern, die jetzt die Frage stellen: „Aber kann heutige Kochkunst wirklich in die Altsteinzeit – die längste Phase der Menschheitsgeschichte, ab ca. 2,6 Millionen Jahren bis ca. 12.000 Jahre vor unserer Zeit – zurückführen?“ antwortet Univ.-Professorin Sabine Gaudzinski-Windheuser, wissenschaftliche Leiterin von MONREPOS: „Archäologische Funde sind die wichtigste Quelle dafür, die Ernährung unserer frühesten Vorfahren zu rekonstruieren. Es gibt selbstverständlich gewisse Einschränkungen, die Altsteinzeitkost heute auf den Tisch zu bringen, denn die botanische und zoologische Evolution ist seitdem natürlich nicht stehengeblieben. Echte Steinzeit-Lebensmittel sind daher leider ausgestorben oder in ihrer heutigen Form unvergleichlich.“ Aber: Als Grundprinzip für die Paläo-Gerichte gilt: Was vom Feld, aus dem Garten oder aus dem Stall kommt, wird gemieden. Dazu gehören Hülsenfrüchte, Milch, Getreide, Zucker und unraffinierte Fette, auch Pflanzen aus den Ecken der Welt, in denen die Menschwerdung nicht stattfand. Unter dem Motto: „Verzichten Sie mit – und genießen Sie!“ werden Wildbret aus den Wäldern MONREPOS‘ und Fische, die in früheren Zeiten gut im Rhein hätten leben können, aufgetischt. Pilze, Honig, Eier und Gräser wie Naturreis landen ebenso in den Schalen und Töpfen wie alles, was Wald und Wiese an Blüten, Blättern, Knollen und Früchten hervorbringen. Das „Schloss der Forscher“ hat sich dieser ur-eigenen Thematik angenommen und daraus ein fundiertes Ernährungsprogramm gestrickt: Die Trends der „Altsteinzeit-Gerichte“ im Museums-Bistro „Heimathirsch“ reichen von bodenständig bis kulinarisch. Und auch beim Essen bleibt sich das ganzheitliche Konzept von Monrepos treu:
Da werden zum Wochenende ein „Paläo-Abend“ inszeniert, der eine Führung durch die Dauerausstellung „MENSCHLICHES VERSTEHEN“ mit Schwerpunkt auf das Thema Ernährung mit dem anschließenden Genuss eines 3-Gänge-Altsteinzeitmenüs verbindet.
Außerdem gibt es ein wechselndes Paläo-Gericht. Schwerpunkt des kulinarischen Angebots sind aber weiterhin ausgewählte Speisen von heute wie aus der Altsteinzeit, die aus hochwertigen Zutaten raffiniert zubereitet werden. Bei gutem Wetter lockt die Panoramaterrasse mit Blick auf das Rheintal.
Info:
„Paläo-Abend“ – Führung „Ernährung“ und 3-Gänge Altsteinzeit-Menü Termine mit verbindlicher Anmeldung an der Museumskasse:
Tel.02631–97720.
Email: monrepos@rgzm.de
Das romantische Frühstück mit Liebespaar-Führung findet
einmal monatlich sonntags um 10.00 Uhr statt,
Anmeldungen an der Museumskasse von MONREPOS:
Tel. 02631 – 97720,
Email: monrepos@rgzm.de
Museums-Bistro „Heimathirsch“:
Gern werden hier auch größere Gruppen bewirtet:
von der Familienfeier bis zum Firmenausflug
Öffnungszeiten
Dienstag bis Samstag: 12.00 bis 18.00 Uhr
Sonntag und feiertags: 10.00 bis 18.00 Uhr.
Fürstliche Wanderungen von und um MONREPOS:
Direkt am „Fürstenweg“ Premiumwanderweg und Rheinschleife des Rheinsteigs
Wer sich nach dem Besuch der Ausstellung und einem guten Essen noch ein bisschen die „Füße vertreten“ möchte, kommt ebenfalls auf seine Kosten. Der eingerichtete „Fürstenweg“ – Rundweg des Rheinsteigs – findet Start und Ziel auf dem Parkplatz von Schloss Monrepos, ebenso wie Rheinhöhenweg und weitere Wandertouren führen am „Schloss der Forscher“ vorbei. Limeswanderweg, Westerwaldsteig und Wiedweg befinden sich in unmittelbarer Nähe. Haben Sie Interesse, dann fragen Sie das Team von Monrepos. Hier hilft man Ihnen gerne bei der Planung Ihrer Wanderroute oder Radtour um Monrepos, egal ob kinderwagentauglicher Rundweg oder Mehrtagestour. Routenvorschläge erhalten Sie im Museum.
Unser Tipp: der pittoreske Weinort Leutesdorf ist in ca. zwei Stunden zu Fuß über den Rheinsteig sowie eine alternative Wanderroute von MONREPOS aus zu erreichen. Eine schöne Tagestour, die Sie direkt am Schloss starten können.